Umfeldvertraeglichkeit
Die Idee des ecomental design erwuchs aus der Beobachtung, dass die Oekologiediskussion Fruechte hervorbringt, die den Blick auf die entscheidendenen Zusdammenhaenge zu verzerren drohen. - kompostierbare Kugelschreiber beguenstigen den Wegwerfgedanken und die Kurzlebigkeit - Energiesparlampen animieren zu gedankenlosem Dauer- und Mehrgebrauch - Energiesparautos suggerieren, mit jedem gefahrenen Kilometer einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz geleistet zu haben - Ultralightmoebel spiegeln den Wunsch, geistiger Unbeweglichkeit durch Steigerung materieller Mobilitaet Abhilfe zu verschaffen zu koennen - Thermotassen speichern zwar die Hitze im Getraenk, aber verhindern sich an der Tasse die Finger zu waermen und beguenstigen sich am Getraenk die Zunge zu verbrennen Eco leitet sich von dem griechischen Wort oikos = Haushalt ab, mental heisst geistig. Die Zeiten in denen saubere Prozeßtechnologie und stoffliches Recycling als ausreichende Loesungen angesehen werden koennen, sind vorbei. Das Einsparen von Energie liegt in erster Linie in den Haenden des Benutzers. Die schwerpunktmaessige Orientierung der Produktgestaltung an konsumkapitalistischen Ideen und Zielsetzungen erzeugt eine Produktsprache, welche die umwelt- und sozialpolitischen Fragen dem ungeuebten Konsumenten vorenthaelt. Ecomental hält einen Wertewandel bei jedem einzelnen für erforderlich und sucht eine Produktsprache, die den Nutzer ermutigt, sich seiner eigenen Moeglichkeiten und Verantwortung bewusst zu werden, individuellen Einfluß auf das Umweltgeschehen zu nehmen. "Man wird mehr und mehr erkennen, dass der Mensch nicht nur seinen aeußeren Lebensstandard braucht, sondern vor allen Dingen geistig ernaehrt werden muss." Joseph Beuys Recyclingdesign Das Bezeichnende des traditionellen Recyclingdesigns ist die selbstverstaendliche Wertschaetzung und Nutzung beliebigster Materialien bzw. Funktionen saemtlicher verfuegbarer Werkstoffe und Produkte zur Erfuellung einer Notwendigkeit (Not macht erfinderisch). Der Umgang mit Recycling-Designprodukten regt die Faehigkeit an, Dinge auf den Kopf zu stellen und unkonventionell zu betrachten. Hierdurch werden nonkonformes Denken und Handeln trainiert. Als gestalterische Disziplin ist das Recyclingdesign daher hervorragend geeignet, im Burckardtschen Sinne (vgl. Lucius Burckardt) die Wahrnehmung für unbeachtete Zusammenhaenge zu schulen. Das durch Ueberfluß motivierte Recyclingdesign bedient sich der gleichen Mechanismen und verweist, indem es die eben zitierte Notwendigkeit durch Freiwilligkeit ersetzt, darueber hinaus in Richtung eines uebergeordneten, intellektuellen Kontextbezuges auf dem soziokulturellen Entstehungshintergrund der Produkte. Solcher Art Recyclingdesign besitzt die Eigenschaft, in der Erscheinung des Produktes umwelt- und umfeldbezuegliche Fragen zu thematisieren und im Idealfalle Loesung vom Benutzer im taeglichen Umgang anzuregen, zB: - In welcher Relation steht der Energieaufwand von Recyclingkreislaeufen zum Naturverbrauch durch Neuproduktion? - Wenn durch Umnutzung z.B. von Verpackungsabfaellen nur sehr bedingt Muell vermieden wird, wie koennte dann eine tatsaechliche Vermeidungsstrategie aussehen? - Welche Moeglichkeiten bieten sich im Alltag für den Endverbraucher sich durch bewußtes Verhalten an Vermeidung zu beteiligen? - Welchen Aktionsradius bzw. Stellenwert besitzt das eigene Handeln? "In einem Testgebiet wurde mit der Behauptung operiert, Schweden ginge mit Energie schon derart sparsam um, daß eine weitere Senkung des Verbrauches schon kaum mehr moeglich sei. In einem anderen Gebiet wurden wirksame Maßnahmen für moeglich gehalten und propagiert. Die Resultate fielen entsprechend aus: Waehrend in der ersten Gegend der Energieverbrauch bloß um 3% zurueck ging, wies die andere Einsparungen um 20% auf." Joan S. Davis Perspektiven für das Industrial Design Das Recyclingdesign hat gezeigt, dass erst die Transparenz der uns umgebenden Produkte in Material, Funktion, Konstruktion, Gebrauch und Kontext deren nachhaltige Wirkung auf das Zusammenleben erhellen helfen. Im ecomentalen Sinne sind Produkte so zu gestalten, daß sie in Erscheinung und Gebrauch die konstruktive Teilhabe jeden Benutzers an der Gestaltung des Gesamtgeschehens kommunizieren. - Welchen Umweltverbrauch verursacht jeder Einzelne? - Von welchen Einfluessen ist unser Umgang mit der materiell gestalteten Umwelt gepraegt? - In welcher Relation steht der Komfort der materiell gestalteten Umwelt zu dessen Preis? - Welche Erfahrungen, Denkanstoeße und Momente an Lebensqualitaet gehen bei der Abloesung der Eigenleistung durch die Automatisierung verloren? Bei den recyclingfreien Anwendungen zeichnen sich ecomentale Entwuerfe dadurch aus, dass die Leistungsfaehigkeit eines Produktes mit dem Leistungseinsatz des Benutzers gleichmaessig steigt (Prinzip Fahrrad). Waehrend Unbequemlichkeit in der Handhabung allgemein als Unzulaenglichkeit verstanden wird, entlarvt die ecomentale Betrachtung Unbequemlichkeiten in der richtigen Dosierung als Bereicherung. Des weiteren sind Zweckentfremdung, Multifunktion und Mehrdeutigkeit richtungsweisende Gestaltungsprämissen von Ecomental im Industriel Design. Wie lernt der Mensch umfeldvertraegliches Benutzerverhalten? „Woher wissen wir denn so genau, dass das Ergebnis richtig ist, wenn es aufgeht .. Eine sinnvolle Straßenbreite lässt sich teilen durch die Zahl der Autospuren. Ein Rest, eine halbe Spur waere sinnlos. Allerdings wuerde sie den Radfahrern das Leben erleichtern.“ Lucius Burckardt |
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